Computer, Kirche, OpenSource, Praxis, Snapchat, SocialMedia

Social Media Gottesdienst – Technik, Konzept und Erfahrungen

Nachträglicher Screenshot der Social Media Wall (die Gottesdienstgemeinde wurde gerade um Fürbitten gebeten)

Nicht weniger als sechs IKEA-Boxen mit Technik, drei Kabeltaschen, fünf Computer und zwei Smartphones waren beim ersten Social Media Gottesdienst in Lippe hinter den Kulissen im Einsatz. Ich wollte möglichst viele Möglichkeiten der Beteiligung schaffen und so war die technische Seite des Gottesdienstes recht aufwändig. Letztlich ist aber auch eine deutliche Vereinfachung möglich. 🙂

Der getriebene Aufwand lag am Beteiligungskonzept des Gottesdienstes. Der Gottesdienst wurde über YouTube live gestreamt. Unser Team sorgte außerdem dafür, dass auch Menschen ohne Livestream mitbekamen, worum es gerade beim Gottesdienst gerade ging (Liturgie und Inhalte in jeweils 140 Zeichen). Diese Beiträge landeten auf einer Social Media Wall, die über einen Beamer im Gottesdienstraum sichtbar war. Das wäre allerdings recht witzlos gewesen (die Gottesdienstbesucher in der Kirche waren ohnehin anwesend), wenn nicht noch andere Inhalte dort gelandet wären.

Die Online und Offline-Besucher hatten an drei Stellen die Möglichkeit sich zu beteiligen und so auf der Wall zu landen: Erfahrungen zum Gottesdienstthema äußern, Fragen zur Predigt stellen und Fürbitten einbringen. Dazu konnte auch jederzeit kommentiert werden bzw. wichtige Gedanken wiederholt werden (und an die Außenwelt gesendet werden). Die Wall war natürlich nicht nur in der Kirche sichtbar, sondern auch über eine Website abrufbar. Die Beträge auf der Wand wurden dann wieder vom Liturg/Prediger aufgenommen bzw. beantwortet.

Somit wurde nicht nur – wie bei einem Fernsehgottesdienst – der Gottesdienstraum erweitert, sondern auch eine Beteiligung über physische Grenzen hinweg ermöglicht. Die Bayrische Landeskirche hält in ähnlichem Stil für einige Fernsehgottesdienste ein Social Media Desk bereit. (Wer mehr zum Warum einer solchen Gottesdienstform lesen möchte, sollte sich diesen Artikel anschauen.)

Um mit ihren Beiträgen auf die Wall zu kommen, konnten die Gottesdienstbesucher in sechs verschiedenen Netzwerke: Twitter, Instagram, Google+, Facebook, WhatsApp und Snapchat posten. Die ersten drei der Netzwerke waren problemlos über einen Hashtag auf der Wall verfügbar. Auf Facebook musste man in die Diskussion des Facebook-Events posten und landete ebenfalls automatisiert auf der Wall. Etwas kniffeliger waren die WhatsApp und Snapchat für uns. Meine Überlegung sie trotzdem mit in den Reigen der Beteiligungsmöglichkeiten einzuschließen, war die riesige Verbreitung von WhatsApp und der spezielle Jugendfokus von Snapchat.

Da beide Messenger keine offene Programmierschnittstelle zur Verfügung stellen, mussten wir die Nachrichten händisch umleiten. WhatsApp machte es uns über sein Browserinterface (web.whatsapp.com) sehr einfach. Also einfach eine PrePaid-Karte kaufen, in ein Smartphone stecken, und die Nummer an die Gottesdienstbesucher herausgeben. Die Arbeit im Gottesdienst ist eigentlich trivial: Nachricht in dem einem Browsertab sehen, kopieren und dann in Google+ in einem anderen Browsertab reinkopieren (Hashtag nicht vergessen!). Selbst Bilder konnten einfach heruntergeladen und neu gepostet werden. (Leider waren die Konfis beim ersten SocialGoDi nicht wirklich konzentriert und ich hatte zu wenig Zeit für die Einweisung.)

Snapchat machte mir etwas Sorgen und ich habe mit diversen virtuellen Maschinen experimentiert, was leider aus verschiedenen Gründen nicht zum Erfolg führte. Schließlich gab ich entnervt auf und fand eine andere Lösung: Die Gottesdienstbesucher schreiben ihren Beitrag per Nachricht an einen bestimmten Snapchat-Account, der für den Gottesdienst eingerichtet wurde. Ein Mitarbeiter sieht die Nachricht auf seinem Telefon, macht einen Screenshot davon und postet es auf Instagram (wieder: Hastag nicht vergessen).

Zu diesem Zweck habe ich jeweils G+ und Instagram-Accounts mit dem Namen GoDiBesucher erstellt, damit auf der Wall erkennbar war, dass dort keine Einzelperson schreibt.

Netzwerkstruktur

Als Social Media Wall kam walls.io zum Einsatz. Dort bekam ich dankenswerterweise einen Sponsored Account, was eine Menge Budget eingespart hat. Walls.io ist echt eine eierlegende Wollmilchsau, was Netzwerke angeht und die Filtermöglichkeiten sind für einen Gottesdienst sehr gut, falls Spammer o.ä. darauf aufmerkam werden. Und durch verschiedene Themes kann man sogar eine Einbindung in den Livestream machen (das Grid-Theme eignet sich zum Beispiel dafür, Blogeintrag folgt).

Der Livestream wurde mit der landeskircheneigenen DSLM-Kamera, einer Webcam für den (real eingetretenen) Notfall und der Software OBS realisiert. Die Wall wurde über ein Web-Plugin in schmaler Breite eingebunden. (Die ersten Gehversuche zum Livestreaming habe ich hier beschrieben, zum jetzigen Livestreaming-Setup blogge ich demnächst  habe ich diesen Blogpost geschrieben.) Der Ton kam via USB-Mischpult von einem Grenzflächenmikrofon auf dem Abendmahlstisch und einer Klinke-DI-Box-XLR-Verbindung vom Mischpult der Band.

Das Internet für die Gottesdienstbesucher wurde über einen Freifunk-Router zur Verfügung gestellt.

Dazu kam noch ein wenig Beleuchtung, weil die Kirche viel zu dunkel zum Streamen war und so blieben wir knapp unterhalb der Leistungsgrenze des Stromnetzes.

Erfahrungen:

  • Vorher sollte in der Kirche geklärt werden, wo was stehen kann. Eine Besichtigung bei unbekannten Kirchen ist ratsam, da einige Kirchen recht verwinkelt sind und keine gute Sicht auf die Social Media Wall gewährleistet ist. Da walls.io als Website ausgegeben wird, ist ein zweites Beamer-Leinwand-Gespann an anderer Stelle kein Problem.
  • Der Internetanschluss ist das A und O. Ohne ihn läuft nichts. Will man mit 720p streamen, braucht man etwa 1 MBit/s Upload (vorsicht, alte DSL-Anschlüsse haben das nicht, oder kratzen nur so gerade daran! Probiert es mit einem Speedtest aus und denkt an den anderen Traffik, der ggfs. über diese Leitung gehen muss.) Ob das Internet aus der Wand oder der Luft kommt, ist egal, doch ist letzteres störanfälliger. Ein großer LKW in Richtung Funkmast kann da gern alles zusammenbrechen lassen. Außerdem kann es sein, dass man den Router bzw. die Antenne in einiger Entfernung von der Kirche aufstellen muss, um gutes Netz zu bekommen.
  • Man muss große Sorgfalt auf die Formulierung der Mitmach-Aufforderung legen, da es ein ungewohntes Element im Gottesdienst ist, es braucht genaue Ansagen, wie die Fragestellung etc. ist. Eine Einweisung in die genutzten Kanäle vor dem Gottesdienst ist ebenfalls nicht verkehrt (ggfs. auch Zettel, wenn es kompliziert ist).
  • Aufführungslizenzen sind wichtig. Die GEMA erteilte mir die Auskunft, dass ihre Werke die im Gottesdienst aufgeführt wurden, vom Pauschalvertrag der EKD abgedeckt sind. Nach der Veröffentlichung der Aufzeichnung habe ich noch nicht gefragt. Dummerweise (auf der anderen Seite ist es aber das größte Glück für Kreative) ist die GEMA nicht mehr Monopolist in Sachen Aufführungsrechte, so dass man zusätzlich schauen/anfragen muss, wo die Rechte liegen und ob es eine Zustimmung ggfs. gegen Gebühren gibt.

Vereinfachungsmöglichkeiten

  • Wenn man bestimme Netzwerke weglässt wird es einfacher. Besonders Snapchat und WhatsApp machen Arbeit – FB, Instagram, G+ und Twitter laufen einfach so in die Wall (was aber natürlich vorbereitet werden muss).
  • Der Livestream muss nicht mit einem so großen Aufwand geschehen. Im Zweifelsfall reicht auch ein Handy mit externem Mikrofon und einer Streaming-App (Bambuser etwa kann auch mit geringen Bandbreiten umgehen [hat aber leider den Nachteil, dass man nicht kostenlos in HD streamen kann].)
  • Die Liturgie nach außen zu twittern hat natürlich nur Sinn, wenn es auch Leute draußen gibt – es ist ja auch denkbar die Social Media nur zu nutzen, um intern im Gottesdienstraum zu kommunizieren. In manchen Gegenden, in denen es durchgehen Breitbandanschlüsse gibt (und es somit eine Möglichkeit gibt den Livestream zu sehen), kann ebenfalls darauf verzichtet werden.
  • Die Vereinfachung kann man natürlich bis zu einem normalen Gottesdienst treiben, in dem einfach Fürbitten per WhatsApp an das Smartphone des/der Pfarrers/Pfarrerin geschickt werden, selbst das dürfte eine bahnbrechende Neuerung für die meisten Gemeinden sein.

PS: Der nächste Gottesdienst dieser Art findet übrigens am 9.4.17 um 11 Uhr in Detmold statt: http://www.evangelippisch.de/2017/04/03/social-media-gottesdienst-leiden-leiden-leidenschaft-unsere-kraft/

Kirche, Praxis, SocialMedia, Theologie

Lange nicht mehr gebloggt, oder?

Als ich heute auf das Datum des letzten Eintrags geguckt habe, kam mir sofort der Gedanke „Oh, lange nicht gebloggt! Du müsstest dringend mal wieder…“. Dann fiel mir ein, dass es gar nicht soooo lange her ist, allerdings sind die letzten Posts aus einem anderen Blog gelandet, deshalb hier zur Vorsicht die Links:

WhatsApp als Newslettersystem und Digitalisierung, Pfarrberuf und Gemeinde

Beides ist auf evangelippisch.de gelandet, dem neuen Blog der Lippischen Landeskirche.

Computer, Kirche, Linux, OpenSource, Praxis, SocialMedia

Multi-Cam Livestreaming für kleines Geld

Was tun, wenn man einen MultiCam-Livestream machen will und dafür kein Budget hat? Improvisieren! Meine Lösung: Eine Kombination aus Webcam, Smartphone, Actioncam und der OpenSource Software OBS (Open Broadcaster Software – ich verwende die Version OBS Studio). Tatsächlich habe ich bis auf ein wenig Zeit genau 0€ in das System investiert, aber ich habe natürlich einen größeren Fundus an technischem Gerät zu Hause herum liegen. Selbst wenn ihr nichts außer einem halbwegs aktuellen Rechner habt, ist ein Livestream für kleines Geld möglich.

Exkurs: Warum nicht einfach mit Smartphone-Apps wie Periscope oder Bambuser? Weil dort keine Bauchbinden und eben keine Kamerawechsel möglich sind. Mein Anwendungsszenario sind Vorträge, Gottesdienste und  Podiumsdiskussionen, bei denen Sprecher wechseln und auch eine Totale zwischendurch sehr hilfreich ist.

Zentrale Schaltstelle ist ein Laptop mit OBS. OBS (Studio) läuft wunderbar unter Linux, OS X und Windows. Wie gut das Zusammenspiel mit den anderen Komponenten ist, hängt von den Treibern und Anschlüssen ab. Ich habe bspw. Probleme mit meinem kombinierten Audio-Ein/Ausgang (den ich für die Verwendung meines Mikrofons erst mit einem Adapter versehen muss) und meiner Actioncam SJ4000 (unter Linux läuft sie ohne Probleme als USB-Webcam und unter Windows stürzt sie ab).

OBS arbeitet mit Youtube, Facebook-Live und diversen anderen Streamingplattformen zusammen. Die Bedienung ist nicht immer ganz intuitiv, aber schnell erlernbar. Da ich euch hier nicht mit einer endlosen Slideshow von Screenshots zuballern will, habe ich die grundlegenden Funktionen per Video zusammengefasst (übrigens ist dieses Video per OBS aufgenommen, da OBS auch den Bildschirm und sogar einzelne Fenster abfilmen kann).

Zusätzlich zum Mikrofon und der Actioncam verwende ich noch eine Logitech C270 und im Notfall mein Android-Smartphones (per DroidCam in der Bezahlvariante). Für das Streaming in 720p braucht man schon einen ordentlichen Upstream (mein Versuch bei 1 MBit Upstream waren sehr dürftig). Hinzu solltet ihr eine Umgebung mit ausreichend Licht wählen, da die billigen Cams nicht besonders lichtstark sind. Für die Zukunft werde ich meine 3x4m Bühnenmolton (als Hintergrund) und meine zwei Softboxen mitnehmen. (Man mag kaum glauben, mit was für Hintergründen und was für Licht manche Veranstaltungen durchgeführt werden.) Wer auch bei schwierigen Aufnahmeverhältnissen eine bessere Bildqualität möchte, sollte sich mal die Webcam-Modelle von Logitech oder Microsoft für um die 100€ anschauen.

Mein Setup

Falls ihr kein gescheites Mikrofon, aber dafür einen Soundrecorder (wie etwa ein Zoom H2N) habt, könnt ihr auch den für eure Aufnahmen nutzen. Zumindest mein H2N kann als USB-Mikrofon genutzt werden.

Dieses einfache Setup mit billigen Komponenten kann beliebig nach oben aufgerüstet werden. OBS arbeitet auch mit HDMI-Capture-Cards zusammen, so dass ihr DSLRs und andere potente Kameras fürs Streaming benutzen könnt. Für die Zukunft plane ich für Konferenzsituationen noch ein Mischpult zwischen den Line-In/Mikrofoneingang und die Audioquelle einzubauen. Damit kann ich viele hochwertige Mikrofone gleichzeitig einsetzten und mir die ideale Audiomischung direkt per Kopfhörer zusammenstellen. (Ein großer Nachteil meines bisherigen Setups ist der nicht kontrollierbare Sound. Vielleicht ist dafür aber auch nur ein wenig mehr Herumprobieren nötig.)

Zum Schluß noch eine Auflistung der Komponenten mit ungefähren Preisen:

  • Logitech C270, Webcam (max. 1280×720) – ca. 30€
  • SJCAM SJ 4000, Actioncam (max. 1920×1080) – ca. 60-80€
  • DroidCamX (App und Software fürs Androisphone) – 4€
  • Takstar SGC-598, Shotgunmikrofon – ca. 30€
  • diverse Stative – 5-40€/Stück
  • aktives (!) USB-Verlängerungskabel, 10m – ca. 15€
  • diverse Adapter und Kabel – ca. 10€

Aber ganz ehrlich: Wenn es nichts hochoffizielles sein soll, benutzt das, was ihr da habt. Vielleicht kann eure DSLR ja per USB als Webcam genutzt werden, oder jemand im Bekanntenkreis hat zufällig eine ungenutzte Webcam irgendwo liegen. Denkt nur daran, dass der Ton mindestens 50% eines guten Streams ausmacht!
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Nachtrag: Wer es etwas hochwertiger möchte, sollte mal bei der Projektstelle social media der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vorbei schauen.

Linux, LUKi, OfBi-Technik, Offene Bibel, OpenSource, SocialMedia

Vortrags-Overkill

Was für ein Wochenende, das Barcamp OWL und das LUKi-Treffen waren nur zwei der Termine, die ich zur Auswahl hatte. Glücklicherweise startete das Barcamp schon Freitag früh, sodass ich wenigstens die ersten zwei Sessions mitnehmen konnte. Schon beim Frühstück wurde ich herzlich von einigen bekannten Gesichtern begrüßt, in der Vorstellungsrunde lernte ich dann viele neue Gesichter kennen. Es ist immer wieder schön, die Leute die man von Twitter oder G+ kennt, auch mal in natura zu sehen.
Die erste Session drehte sich um Social SEO von Thomas Kilian (Agenturleiter Thoxan). Die sicherlich wichtigste These zur Suchmaschinenoptimierung kam erstmal wenig überraschend: „Drei Dinge sind wichtig: Weiter lesen

SocialMedia

Google+ und die Blogs

Der Blog, ein Urgestein des Web 2.0. Die Mikroblog-Bewegung konnte ihm nichts anhaben, Twitter und seine Ableger haben eher für noch mehr Hits gesorgt. Auch Facebook ist keine Konkurrenz, allein wegen der Begrenzung der Statustexte auf immerhin 420 Zeichen. Doch jetzt kommt Google+ mit (so weit ich gesehen habe) unbegrenztem Statustext im Stream. Die ersten Beiträge, die eine blogähnliche Länge haben geistern schon durch die Kreise.

Wird das ein neuer Trend? Werden in Zukunft immer mehr (kürzere und vielleicht auch längere) Blogeinträge auf Google+ landen, der Bequemlichkeit wegen? Vermutlich muss man hier zwischen den professionellen Bloggern und den Privatbloggern unterscheiden. Ein Robert Basic oder ein Sascha Lobo werden wohl kaum darauf verzichten wollen ihre eigene Internetpräsenz mit Statistiken und anderen Annehmlichkeiten zu betreiben, doch für die Privatblogger könnte Google+ zu einer praktischen Alternative werden. Wenn man sowieso schon eingeloggt ist und Links und Formatierungen in den Statustexten einfügen kann, warum nicht? Wenn es Google dann noch schafft einen googleeigenen Flattr-Ersatz für Statusupdates zu schaffen, könnte das das Ökosystem der Blogs nachhaltig verändern.

Ich bin von Google+ beeindruckt,aber trotzdem will ich weiter denken. Ein Gedankenanstoß: Wenn Google noch Hashtags einführt (und dadurch endgültig Twitter leerräumt), die Boggerszene aufmischt und Facebooknutzer in großem Stil zu Googleplus welchseln, ist Google dann irgendwann nicht nur Suchmaschinenmonopolist, sondern Internetmonopolist?